Autonomie und Vertrauen. Schlüsselbegriffe der modernen Medizin

hrsg. von Holmer Steinfath und Claudia Wiesemann
zusammen mit Reiner Anselm, Gunnar Duttge, Volker Lipp, Friedemann Nauck und Silke Schicktanz

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Die Selbstbestimmung des Patienten wird in liberalen und individualisierten Gesellschaften zu Recht hochgehalten. Doch die Handlungsfreiheit des Einzelnen in einer hochkomplexen, von wissenschaftlich-technischen Rationalitäten durchstrukturierten Welt wächst nur in dem Maße, wie Personen- und Systemvertrauen ermöglicht wird. Ein Übermaß an Entscheidungsoptionen und hohe Risiken in der Medizin machen auch den prinzipiell Entscheidungsfähigen handlungsunfähig, wenn sie nicht durch Vertrauen stiftende Sozialsysteme balanciert werden.

Wenn Autonomie ein Schlüsselbegriff moderner Gesellschaften ist, dann muss dies auch für Vertrauen gelten. Denn Verletzlichkeit und Verunsicherung der Akteure nehmen mit den Handlungsmöglichkeiten der modernen Medizin eher zu als ab. Im Mittelpunkt der Beiträge dieses Bandes stehen deshalb Ansätze, Autonomie stärker relational oder sozial zu fassen. Untersucht wird, inwiefern interpersonelles Vertrauen bzw. Systemvertrauen und Selbstbestimmungspraktiken in der Medizin zusammenhängen, wie sie generiert oder unterminiert und wie sie gerechtfertigt werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei Organisationen und Institutionen, z. B. dem Krankenhaus, sowie Kollektivakteuren, z. B. der Familie oder Patientengruppen. Welche Rolle spielen sie für die Interpretation und Umsetzung von Vertrauen und Autonomie in der Medizin? In sieben einander ergänzenden Beiträgen aus den Bereichen Philosophie, Medizinrecht, Theologie, Medizinethik und Medizin werden diese Fragen untersucht.

Die Antworten, zu denen die Beiträge gelangen, weisen weit über den Bereich der modernen Medizin hinaus. Sie betreffen letztlich die Frage, wie wir uns in komplexen sozialen Zusammenhängen zugleich als  selbstbestimmungsfähige und konstitutiv abhängige Wesen begreifen können.

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Der Band fasst die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschergruppe „Autonomie und Vertrauen in der modernen Medizin. Erkenntnis – Praxis – Norm“, gefördert im Rahmen der Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften, VolkswagenStiftung, zusammen.

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Der Inhalt:

Vorwort - 1. Das Wechselspiel von Autonomie und Vertrauen – eine philosophische Einführung - 2. Vertrauen als moralische Praxis – Bedeutung für Medizin und Ethik - 3. Selbstbestimmung braucht Vertrauen - Entscheidungsfindung am Lebensende - 4. Vertrauen in der Organisation Krankenhaus - 5. Familien und Patientenorganisationen als kollektive Akteure in der Bioethik - 6. Autonomie und Familie in medizinischen Entscheidungssituationen - 7. Vertrauen durch Recht?